Tötet das Wasser nicht

Gedanken zu Joh 4.5-15,19-26,39-42

Jesus hat als Mensch eine Schwäche: Er ist auch nur EIN Mensch und kann sich nicht zerreißen. Der Weinberg ist groß - zu groß für nur einen Arbeiter (und Jesus ist sich sehr wohl bewußt, daß er eigentlich noch mehr Weinberge bzw. als guter Hirte mehr als eine Herde zu betreuen hätte) und daher beschränkt er weitgehend seine Tätigkeiten auf die Juden. 

Wenn aber von einer Begegnung mit einem Heiden oder "Fast-Heiden" berichtet wird, dann ist diese Begegnung wirklich bemerkenswert. Sei es der römische Hauptmann, die Kanaanäische Frau (beides Zeugnisse von einem großen Glauben/Vertrauen) oder hier die Begegnung mit der samaritanischen Frau am Jakobsbrunnen.

Leider wird in den meisten Predigten die Tatsache, daß Jesus die samaritanische Frau um Wasser bittet (für einen frommen Juden ein doppeltes no-go) und/oder die Frage was "lebendiges Wasser" sei und wie es den heutigen Lebensdurst stillt in den Vordergrund gestellt. Mir hingegen stellt sich vielmehr die Frage, wie wir mit dem "lebendigen Wasser" umgehen (sollten).

Hier sind meiner Meinung nach, zwei erst einmal weniger wichtig erscheinende Passage im Evangelium interessant. Zum einen, daß das "lebendige Wasser" in einem selbst zur Quelle (für andere) wird und zum anderen, daß die restliche samaritanische Gemeinde, nachdem sie Jesus gehört hatten auch durch seine Worte und nicht nur durch das Zeugnis der samaritanischen Frau zum Glauben gekommen seien.

Moment mal: durch das Zeugnis der Samaritanischen Frau? Hier fehlt doch was (zumindest in der üblicherweise vorgetragenen Kurzfassung des Evangeliums – in der vollständigen Fassung wird dies zwar erwähnt aber die Tatsache in den Vordergrund gestellt, daß Jesus als Ortsfremder wußte, daß die Frau mit 5 Männer verheiratet war und nun mit einen 6. Mann unverheiratet zusammenlebt). Nach der Begegnung muß die Frau ihren Bekannten von Ihrer Begegnung mit Jesus berichtet haben. Ich kann mir vorstellen wie so eine Unterhaltung vermutlich abgelaufen sein dürfte:

„Hör mal ich habe am Brunnen einen jüdischen Rabbi getroffen, der hat richtig ernsthaft mit mir geredet. Und was der alles gewußt hat: Selbst meine Schande ist ihm bekannt gewesen, obwohl er ein Fremder ist. Und trotzdem hat er mit mir geredet. Alles habe ich nicht verstanden, aber er hat unter anderem gesagt, daß es nicht darauf ankäme wo man betet, sondern daß es darauf ankäme, daß man aufrichtig und mit Hingabe beten solle. – Ob er wohl unser Retter ist?“

Diese Begeisterung dürfte auch bewirkt haben, daß die samaritanische Gemeinde Jesus überhaupt offen zugehört hat und nicht von vornherein als „wieder so ein jüdischer Schnösel, der sich einbildet auf uns als Heiden herabsehen zu müssen“ abgelehnt hat.

Doch wie sieht es mit unserer Begeisterung aus? Selbst das Ostergeschehen: "Jesus Christus ist von den Toten auferstanden, er hat den Tod für uns besiegt" - eine Glaubensbotschaft, welche die Frühchristen zum gegenseitigen Ostergruß: "Freut euch, Christus ist von den Toten auferstanden" - "Ja er ist wahrhaft auferstanden" inspirierte - bringt uns gerade noch zu einem müden „Frohe Ostern, viel Erfolg bei der Ostereiersuche".

Man kann dies zwar auf eine säkulare Welt schieben, in welcher der Glaube zur reinen "Privatsache" erklärt wird und selbst ein regelmäßiges "Sonntagschristentum" auf Unverständnis stößt. Aber ist das wirklich so oder sind wir nur zu bequem geworden? Woran liegt es, daß uns unsere Begeisterung verlorengegangen ist? 

Nun einen Glauben allein zu Leben, ist viel schwieriger, als wenn er von einer Gemeinschaft getragen wird. Wenn aber umgekehrt ein Glaube oder eine Überzeugung zum Allgemeingut geworden ist, dann fehlt das „enger zusammenrücken“ in der Gruppe, und auch das kritische Hinterfragen von Wahrheit und Tradition wird i.A. als akademische Frage nur den Spezialisten überlassen. 

So ist unser Glauben weitgehend nur noch "ererbt" und nicht selbst erworben bzw. uns durch persönliche Glaubens-Erfahrung geschenkt worden (Frei nach dem Motto: Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es um es zu besitzen). Und selbst hierzu gehören Glaubenszeugen, die der nachfolgenden Generation mit einem christlichen Leben voller Begeisterung und Kraft vorrausgehen.

Doch was wir vielfach nur haben sind: Theologen, die uns beibringen wollen, was wir von unserem Glauben als kindlichen Aberglauben abzulegen hätten, Seelsorger, die gehört haben wollen, daß beten helfen könnten und Bischöfe, die einem einen Katechismus als Anleitung zum "Glauben für Dummies" nahelegen wollen.

Daß dann unsere Jugend ihre Hoffnung auf Großereignisse (Kirchentage) oder auf extreme Gruppen, Sekten oder gar andere Religionen setzt, in deren Gruppen sie die fehlende Begeisterung, den Glauben und die Geborgenheit zu finden meint, ist fast kein Wunder. 

Ist es denn wirklich so schwer über den eigenen Glauben (und auch die eigenen Zweifel) im engen Kreis zu reden? Es mag zwar schwer sein, auf Anhieb einen geeigneten Kreis zu finden, aber die Angebote in den Gemeinden sind schon jetzt vielfältig und im Notfall ist auch Eigeninitiative möglich. Und vor der Ortskirche steht die Hauskirche - auch wenn man seine Aktivitäten dort vor allem dann vorsichtig gestalten sollte, wenn Kinder oder Jugendliche in der Hauskirche leben. Schließlich will man im Allgemeinen nicht die Jugend mit seinen eigenen Zweifeln vergiften, sondern seinen Glauben Tag für Tag leben und bezeugen. (Sebst wenn der Kampf mit den eigenen Glaubenszweifeln zum größten Glaubenszeugnis werden kann.)  

 

Home Prev-Text Home-Seite Next-Text