Wir alle kennen das Gleichnis von den 5 törichten und den 5 klugen Jungfrauen, welche auf den Bräutigam warten. Früher habe ich die 5 klugen Jungfrauen bewundert, denn sie waren auf alle Eventualitäten vorbereitet und daher bereit den Bräutigam zu begleiten und in den Hochzeitssaal mit einzuziehen. Heute habe ich meine Zweifel und frage mich ob die 5 "klugen" Jungfrauen wirklich ein Vorbild für den adventlichen Christen sind. Zu sehr erinnert mich die Situation an die Legende vom "Zwiebelchen des Geizhalses" und ich frage mich ob es nicht auch eine andere Lösung hätte geben können. Vielleicht bin ich zu kritisch und interpretiere zu viel in das Gleichnis hinein, aber mit keinem Wort wird die "Klugheit" der Jungfrauen mit dem Ersatz-Öl gelobt sondern wir werden ermahnt "wachsam" zu sein. Nicht "bereit" sondern "wachsam" und auch die "klugen" Jungfrauen haben geschlafen und mußten erst geweckt werden.
Vielleicht sollte man sich hierzu einmal die Grundsituation vor Augen halten. Die Jungfrauen von damals entsprechen in etwa den Braujungfern die es bis in die heutige Zeit gibt. Freundinnen, Bekannte und "Gespielinnen" (heutzutage Kolleginnen/Klassenkameradinnen) mit denen die Braut auch später in Kontakt bleiben möchte, werden dem Bräutigam und dessen Freundeskreis vorgestellt. Möglicherweise ergibt sich hieraus auch eine "gute" Partie für diese Freundinnen in der Nachbarschaft der Braut. Und zu den Aufgaben dieser Brautjungfern gehörte damals die feierliche "Einholung" des Bräutigams am Ortseingang.
Was macht nun die "Klugheit" bzw. die "Torheit" der Jungfrauen aus?
Das offensichtliche ist, daß die "Klugen" auf eine längere Verzögerung des Bräutigams vorbereitet waren und an Ersatz-Öl für ihre Lampen gedacht haben und die "Törichten" nicht.
Dies KANN natürlich an einer einfachen Gedankenlosigkeit der "Törichten" gelegen haben. Genausogut ist es aber möglich, daß es sich bei den "Törichten" um verwöhnte, reiche Gören gehandelt hatte, die sich noch nie wirklich um ihre Lampen selbst kümmern mußten und die sich auch nicht vorstellen konnten, daß sich ein reicher weit entfernt lebender Bräutigam auch mal verspäten könnte. In diesem Falle müßte man aber eher von "Unerfahrenheit" welche auf "Erfahrung" trifft reden als von "Torheit" und "Klugheit".
Als die "Törichten" darum bitten, ja es geradezu fordern, daß sie vom Ersatzöl der "Klugen" etwas abbekommen wollen, lehnen die Klugen diese Forderung zu teilen ab. ("Dann reicht es weder für uns noch für euch.")
Die Feststellung/Ablehnung ist berechtigt und klug, denn auch wenn bei einer unmittelbaren Ankunft des Bräutigams das Öl knapp für alle gereicht hätte, so war dennoch mit einer weiteren Verzögerung zu rechnen und dann hätte das Öl wirklich nicht gereicht. Denn warum hätten die "klugen" Jungfrauen Öl für eine längere Zeit als bis zum Morgen mitnehmen sollen. So ein übermäßiger Öl-Vorrat wäre bei der Hochzeitsfeier doch nur hinderlich gewesen. Wenn die "törichten" Jungfrauen auch nur etwas nachgedacht hätten, dann hätte ihnen dies selbst auffallen müssen, aber so stellen sie nur ihre egoistische Forderung anstatt sich auf die Suche nach Alternativen (z.B. "Dürfen wir zusammen mit euch gehen - also paarweise mit nur einer Lampe?") zu machen.
Und damit kommen wir zum dritten Punkt, dem "klugen" Rat ("Geht doch zu den Händlern und kauft, was ihr braucht").
Ob der Rat wirklich als guter Rat gemeint war oder eher die Reaktion auf ein überhebliches Verhalten der "törichten" Mädchen war, sei dahingestellt. Aber in Ihrem Bestreben sich die Blamage zu ersparen gehen sie in die Falle und anstatt nach Hause zu eilen um dort das fehlende Öl zu holen oder aber sich mit ausgegangener Lampe dem Bräutigam zu stellen, suchen sie nach Händlern, die Ihnen das Öl verkaufen. Wie die Politiker von heute versuchen sie Ihren Fehler zu vertuschen anstatt sich den Konsequenzen zu stellen. Ich vermute mal, der Öl-Kauf dürfte für die Mädchen die reinste Odyssee gewesen sein, denn um diese Uhrzeit dürften die meisten Händler von den Straßen verschwunden sein, teils weil sie ihren Vorrat längst verkauft hatten teils weil sie nicht mehr mit Kunden gerechnet hatten und deshalb schlafen gegangen sind.
Und so kam es, wie kommen mußte, als sie endlich einen Händler gefunden hatten, der sie mit neuen Lampen Öl versorgte, war es zu spät. Der Bräutigam war da, sie waren ihm und seinen Freunden nicht vorgestellt worden und mußten darum wie lästige Bettler oder Zaungäste draußen bleiben. Die "Klugen" Jungfrauen hingegen waren bei der Hochzeit nicht nur dabei sondern auch gleichzeitig 5 lästige Konkurrentinnen los.
Allerdings stelle ich mir gleichzeitig vor, daß der Bräutigam und seine Freunde schnell erkannt haben dürften, welch Geistes Kind die "klugen" Jungfrauen waren - ob bemitleidenswerte Dauer-Opfer, bei denen das Faß endlich zum überlaufen gebracht worden war (und die deshalb gestrauchelt sind) oder gemeine Intrigantinnen, deren Taten mit Nichtachtung oder gar Rauswurf zu ahnden sind. Somit waren die klugen Jungfrauen vielleicht doch nicht so klug wie sie möglicherweise dachten.