Die Erbsünde - Eine These

Gedanken zu Genesis Kap 3 - Teil 1

Immer wieder bekommt man in der Kirche vor allem zur Osterzeit aber auch zu Weihnachten den Begriff der Erbsünde oder auch Ursünde an den Kopf geknallt.

Nun die Idee, daß sich eine moralische Schuld oder gar eine Sünde, vererben können soll, hat mich immer schon - besonders in Bezug auf das dritte Reich und den Holocaust geärgert. Vor allem dann, wenn uns Deutschen wegen dieser Kollektivschuld, der Maulkorb verordnet werden sollte, anstatt, daß wir konstruktiv den Mund aufmachen durften um andere Völker zu warnen, sich eine ähnliche Schuld aufzubürden. Doch dies ist ein anderes Thema – mögen sich die (Moral-)Theologen hierüber streiten – ich will mich hier nicht einmischen.

Was mich viel mehr interessiert, und was anscheinend kaum diskutiert wird, ist die Frage, welche Sünde, welche menschliche Eigenheit überhaupt die Erbsünde ist.

Was ist allen Menschen zu eigen aber dem Rest der Schöpfung nicht? (Oder hat etwa der Mensch mit seiner Tat die komplette Schöpfung verdorben?)

Ist es eine der sog. 7 Todsünden (Ur-Laster)? Wohl kaum, es müßte entweder die Essenz der Todsünden oder zumindest der Urkeim der Todsünden sein.

Ist es der Ungehorsam? Auch diese Antwort erscheint mir etwas zu einfach. Zum einen, da der Mensch (laut biblischen Bericht) zu diesem Zeitpunkt die Unterscheidung zwischen „Gut“ und „Böse“ noch gar nicht fällen konnte und zum anderen hat sich im Lauf der Geschichte ein blinder Gehorsam, in Bezug auf menschlichen Vorschriften, ja sogar bei menschlichen Auslegungen von Gottes Gebot, selten als gut erwiesen.

Besser klingt hier „die Zurückweisung von Gottes Liebe durch die absichtliche Übertretung eines seiner Gebote, die er uns zum Schutz und Segen gegeben hat“ (also die Todsünde nach christlicher Definition). Ja, Adam und Eva haben sich dessen schuldig gemacht – aber soll die theoretische Anlage dazu (eine solche Todsünde begehen zu können) schon die Erbsünde sein?

Doch warum so kompliziert. Ich bin der Meinung die Antwort verbirgt sich im Bericht vom Sündenfall und zwar so klar und eindeutig, daß es fast schon nicht mehr verwunderlich ist, wenn man sie nicht sehen kann oder will.

Natürlich ist dieser Bericht kein Tatsachenbericht sondern ein theologischer Text, der dem gläubigen Juden (und auch uns Christen) versucht, etwas über die Natur der Ursünde mitzuteilen. Leider haben die Übermittler von solchen Texten die unschöne Eigenschaft, diese Texte zur Übermittlung von „einfachen Wahrheiten“ politisch korrekt zu verfremden. Ich fürchte in diese Kategorie gehört auch die Frage nach der „Nacktheit“ des Menschen.

Fangen wir also am Anfang an: Nach der Erschaffung von Eva als Gefährtin und Partnerin war dem Menschen fast alles erlaubt – ja sogar der Genuß der Früchte vom Baum des Lebens – nur der Baum der „Erkenntnis von Gut und Böse“ war dem Menschen unter Androhung des Todes (oder besser der Sterblichkeit) verboten.

Ob dieses Verbot als dauerhafte Tabu oder nur als praktisches Tabu (bis der Mensch reif für diese Fähigkeit ist) gedacht war, kann nicht gesagt werden, ist aber inzwischen unerheblich.

Der Mensch hat sich daran vergangen und zwar weniger, weil er die Weisheit zum gerechten Herrschen oder ähnlichem haben wollte (das wären Anzeichen von Reife gewesen), sondern weil er wie Gott sein wollte – ja sogar höher als Gott stehen wollte und über Gottes Schöpfung (und damit indirekt über Gott) richten wollte.

Deshalb sieht er auch nach dem Genuß der Frucht vom Baum der Erkenntnis nicht etwa, daß er gegen Gottes Gebot verstoßen hat (das will er nicht sehen), sondern nur, daß er nackt, bloß und gering vor Gott und seinen Mitgeschöpfen ist.

Er versucht notdürftig diesen „erkannten“ Makel auszubessern und da es ihm nicht möglich ist, versteckt er sich.

Und so ist in meiner Auffassung nach die Erlangung der „Erkenntnis von Gut und Böse“ dem Menschen zum Fluch geworden. Denn der Mensch will nun immer und sofort darüber richten ob etwas Gut oder Schlecht ist, verwendet aber als Maßstab nicht etwa Gottes Gebot, sondern die persönliche Nützlichkeit – selbst, wenn ihm das Gewissen (die eigentliche Erkenntnis von Gut und Böse) etwas anderes sagen will. Und dies, dieses permanente Richten wollen mit dem Maßstab der persönlichen Nützlichkeit, ist meiner Meinung nach, die Erbsünde.

An dieser Stelle werden vermutlich einige denken, daß ein Beurteilen wollen einer Situation oder eines Menschen doch gar nicht so falsch sei, und daß doch eher der Egoismus bzw. der „natürliche Egozentrismus“ - wenn überhaupt – die Erbsünde sei.

Das Problem ist nur daß es in der Tierwelt genug Beispiele gibt, bei denen sich das „Sozialverhalten“ - wenn es existiert - nur auf die „Brutpflege“ beschränkt. Ist also auch die Tierwelt von der „Erbsünde“ betroffen?

 

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